Bautzener Kastengurke

Lokalheldin aus Sachsen

Arche-Passagier seit Juli 2020

Unterstützt von Slow Food Dresden und Slow Food Lausitz

Beschreibung des Passagiers

Bautzener Kastengurke_Jungpflanze (c) Heike Quendt.jpgDie Bautzener Kastengurke ist eine alte Sorte aus der Kategorie der Freilandgurken. Sie wurde früher im kalten Kasten gezogen und hat daher ihren Namen. „Die Gurke ist grünbleibend, ca. 40 cm lang, sehr dickfleischig und als Senfgurke im Ertrag unübertroffen,“ beschreibt sie der Erfurter Samenzüchter Ernst Benary 1924 in seinem ‚Haupt-Samen-Verzeichnis‘. In einem Katalog der Erfurter Firma Heinemann von 1940 ist die Bautzener Kastengurke aufgeführt. Ein Nachweis, dass sie in diesen Jahren vermutlich noch weit verbreitet war. Danach geriet sie im Zuge des Vormarschs der Schlangengurke in Vergessenheit.

Die Samen der Sorte sind weiß und ca. 1 cm lang und 0,4 cm breit. Die Voranzucht kann im Kasten ab März und im Freiland ab Mitte April bei mindestens 16°C bis 18°C und bei genügend Licht erfolgen. Die Pflanzen sind stark rankend. Die Frucht ist in jungen Stadien stark knubbelig in einem satten dunklen Grün. Die Form ähnelt der einer Einlegegurke. Im Laufe ihres Wachstums flachen die Knubbel ab, die Gurke wird bauchiger und die Farbe wechselt über ein verwaschenes Grün bis hin zu gelb. Die Bautzener Kastengurke ist mit 10 bis 15 Früchten pro Pflanze sehr ertragreich. Ihre Länge beträgt im ausgereiften Zustand zwischen 30 cm und 40 cm, ihr Durchmesser an der dicksten Stelle zwischen 6 cm und 10 cm.

Im jungen Stadium ist die Bautzener Kastengurke trotz ihrer vielen kleinen Kerne angenehm zu essen. Im späteren Stadium werden die Kerne größer und sollten entfernt werden. Die Gurke eignet sich dann bestens zur Verarbeitung als Schmor- oder Senfgurke.

Die Bautzener Kastengurke ist sehr genügsam und kommt ohne zusätzliche Düngung aus. Im Freiland bringt sie lange Zeit eine reichhaltige Ernte. Je nach Wetterlage ist dies durchaus von Juni bis September möglich. Moderne Gurkensorten hingegen werden wetterunabhängig ganzjährig im beheizten Gewächshaus angebaut. Dies ist weder ressourcen- noch umweltschonend.

Bautzener Kastengurke_reife Gurken im Korb (c) Dr. Matthias Berger.jpgIn heißen Sommern bei ungenügenden Wassergaben neigt die Kastengurke zu bitteren Stielansätzen und auch zu ganzen bitteren Früchten. In solchen Sommern ist eine kontinuierliche Wassergabe (2 x pro Tag) notwendig. Das unterschiedliche Auftreten von Bitternoten bei der Bautzener Kastengurke (wie auch bei anderen alten Gurkensorten) könnte der Grund dafür sein, dass diese Sorte so gut wie nicht mehr angebaut wird. Bitterstoffe sind in allen alten Sorten möglich. Sie werden insbesondere durch Stresssituationen wie Trockenheit, Kälte, plötzlichen starken Regen oder zu kaltes Gießwasser verursacht. Die Bitterkeit steigt vom Stielansatz in die Gurke. Während ihr Stielansatz also schon bitter schmeckt, kann ihr Ende durchaus bitterfrei sein und sich hervorragend zum Verzehr eignen.

Früher war es üblich, jede Gurke vor dem Aufschneiden für den Salat am Stielende zu probieren. Die für das Einlegen vorgesehenen Gurken wurden über Nacht in Salz oder warmem Salzwasser eingelegt, damit das Salz die Bitterstoffe auszieht. Vor dem Einlegen wurden die Früchte dann auf Bitterkeit getestet. Die immer noch bitteren Früchte wurden aussortiert.

‚Bitter‘ – eine unterschätze Heilkraft

Die Geschmacksrichtung „Bitter“ gehört zu den fünf Grundgeschmacksarten: süß, sauer, salzig, bitter, umami. Bitter sind ursprünglich alle Blattgemüse, Blattsalate, Artischocken, Chicoree, Radicchio, viele frische Kräuter und andere Gemüsepflanzen. Doch wurden die Bitterstoffe mehr oder weniger stark weggezüchtet. Dabei verfügt jeder Geschmack über spezielle Qualitäten und sogar Heilwirkungen. Bitterkeit hat eine austrocknende, Feuchtigkeit absorbierende Qualität und erhöht dadurch die Verdauungskraft (Verdauungssäfte sprudeln regelrecht) und regt den Appetit an. Außerdem werden den Bitterstoffen entzündungshemmende, blutreinigende Wirkungen zugesprochen, sie wirken auch bei Hauterkrankungen und Wurmbehandlungen. Grund genug, die Bitterstoffe nicht wegzuzüchten, sondern sie mit Geschmacksrichtungen wie scharf, süß oder salzig auszugleichen und die Genussqualität zu steigern.

Die Bitterstoffe in Gurken sind Curcubitacine, die auch in Zucchini und Kürbissen vorkommen. Auch ihnen werden in geringer Dosierung gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt, in hoher Dosierung aber können sie krank machen und in Einzelfällen sogar tödlich sein. Deshalb dürfen stark bitter schmeckende Früchte nicht gegessen werden. Wenn die Gurken nur in Stielnähe bitter schmecken, genügt das Wegschneiden des bitteren Teiles. Hier sollte man sich auf seinen Geschmackssinn verlassen.

Gefährdung des Passagiers

Bautzener Kastengurke_Gurke ausgereift (c) Dr. Matthias Berger.jpgDie Bautzener Kastengurke ist aufgeführt in der Roten Liste der gefährdeten einheimischen Nutzpflanzen in Deutschland der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Sie wurde ein Opfer der Züchtung  bitterfreier Sorten und entspricht zudem nicht mehr dem Ideal einer modernen Gurke: bitterfreie Schlangengurke, lang und schmal. „In der Züchtung wird die potentielle Bitterstoffbildung durch Selektion immer weiter reduziert. Dazu wird jede Gurke vor der Samenentnahme gekostet und nur die völlig bitterfreien Exemplare zur weiteren Züchtung verwendet,“ erklärt Ludwig Watschong von Dreschflegel Saatgut. In den Publikationen zur Gurke erläutert der Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt (VEN): „Die alten Sorten wurden wohl eher Opfer der bei entsprechender Düngung ertragreicheren Sorten und der rein weiblichen Hybriden (Parthenokarpie-Jungfernfrüchtigkeit)“.

Aufgrund der Unregelmäßigkeit in Größe, Form und Aussehen der Gurke ist sie im Handel unbeliebt. Durch Direktvermarktung besteht die Möglichkeit, die Gurken den Verbraucher*innen wieder anzubieten.

Erwerbbarkeit des Passagiers

Die Bautzener Kastengurke war lange Zeit nicht käuflich erwerbbar. Im Zuge der Antragstellung für die Aufnahme in die Arche des Geschmacks konnten zwei Samenzüchter für die Vermarktung gewonnen werden, die auch über Biomärkte in der Region erfolgt. Gurken gibt es ab 2020 in Direktvermarktung beim Lausitzer HöfeLaden in Nebelschütz.

Regionale Bedeutung des Passagiers

Die Sorte wurde in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts vom Bautzner Gärtnermeister Röpke gezüchtet, aus dessen Züchtung auch der Kopfsalat ‚Bautzener Dauerkopf‘ stammt. Die Gurke war wegen ihres reichen Ertrages die im Anbau verbreitetste Sorte der damaligen Freilandgurken im Raum Bautzen.

Besonderheiten bei der Erzeugung und Weiterverarbeitung des Passagiers

Bautzener Kastengurke_Gurke aufgeschnitten (c) Karl Pirk.jpg

Die Bautzener Kastengurke ist vielseitig verwertbar. Im jungen Stadium (bis ca. 14 cm Länge) kann sie frisch als Salat- und Vespergurke verzehrt oder sauer eingelegt werden. Als ausgereifte Gurke kann sie wegen der vielen sich entwickelnden größer und härter werdenden Kerne nur noch geschält und entkernt gegessen werden. Sie eignet sich dann zum Einlegen als Senfgurke oder saurer Gurkenstick. Dies spricht für deren vielseitige Verwertbarkeit. Die Gurke ist daher auch ideal für die Vorratshaltung geeignet.

Züchter*innen, Erzeuger*innen und Bezugsquellen

Gurken:

Lausitzer HöfeLaden UG (haftungsbeschränkt)
Thomas Noack
Hauptstraße 9
01920 Nebelschütz
Tel. (0 35 78) 3 66 94 07, (01 77) 7 18 40 93
info@lausitzerhoefeladen.de

Saatgut:

Johannishöhe – Natürlich leben und lernen e.V.
Dresdner Straße 13a
01737 Tharandt
Tel.(0 35 20) 33 71 81
Fax (0 35 20) 33 79 36
info@johannishoehe.de

Samenbau Nordost Kooperative GbR
Lindenallee 6
15306 Vierlinden OT Alt-Rosenthal
Tel. (0 33 47) 75 45 80
www.samenbau-nordost.de

Links und Aktivitäten rund um den Passagier

>>VEN Verein zur Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt e.V.

>>Dreschflegel Saatgut - Gurken Bitterstoffe

>>Grundrezept zur Konservierung: Gewürzgurken

>>Wie traditionelle Lebensmittel bewahrt werden können

>>Die Arche des Geschmacks im MDR

>>Schluss mit der ‚Saure-Gurken-Zeit‘: Bautzener Kastengurke ist neuer Arche-Passagier

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Sie sind Erzeuger*in oder kennen Menschen Ihres Netzwerks, die im Sinne von Slow Food produzieren?

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Bannerbild: © Karl Pirk, weitere Bilder: © Heike Quendt (1), Dr. Matthias Berger (2,3), Karl Pirk (4)

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